Forschungsinstitut für
Nachhaltigkeit | am GFZ

Schutz der Meeresumwelt: Ein internationales Abkommen gegen die Plastikverschmutzung

07.03.2025

Die Verschmutzung der Meere durch Plastik gefährdet die Meeresumwelt und die menschliche Gesundheit. Unter der Schirmherrschaft der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) wird derzeit ein internationales Abkommen ausgehandelt, das einen umfassenden Rechtsrahmen zur Bekämpfung der Plastikvermüllung, auch in der Meeresumwelt, bieten soll. In der RIFS-Forschungsgruppe „Governance der Ozeane“ verfolgen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Verhandlungsprozesse und untersuchen die Rolle des künftigen Abkommens für die Meeres-Governance, welche die rechtlich-institutionelle Steuerung der Nutzung und des Schutzes der Meere umfasst.

Ein internationales Plastikabkommen mit Bezug zur Meeresumwelt

Die Verschmutzung der Meere durch Plastik ist sowohl auf menschliche Aktivitäten an Land als auch im Meer zurückzuführen. An Land gehören dazu die Herstellung und Entsorgung von Kunststoffen, die Nutzung im Straßenverkehr (zum Beispiel Autoreifen), in der Landwirtschaft, durch die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, die Verpackungsindustrie und im Tourismus, während zu den seebasierten Verschmutzungsquellen die Verwendung von Kunststoffen in der Fischerei (zum Beispiel für Fanggeräte) und die Schifffahrt zählen. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Ozeane, wobei landseitige Aktivitäten die Hauptquelle des Plastikmülls im Meer ausmachen. Zu den Auswirkungen auf die Meeresumwelt zählen der Verlust der biologischen Vielfalt, einschließlich des Verfangens und Verschluckens von Plastikabfällen durch Meerestiere bis hin zu Schäden für die menschliche Gesundheit. Versuchsmodelle zeigen, dass unter anderem oxidativer Stress, DNA-Schäden und Organfunktionsstörungen zu den toxischen Wirkungen von Mikroplastik zählen. Dabei ist der Erhalt der Ozeane essentiell, da diese für die Gesellschaft wichtige Leistungen wie die Bereitstellung von Nahrung, Sauerstoffproduktion und Klimaregulierung erbringen.

Um dem Problem der zunehmenden Plastikverschmutzung mit einem global wirksamen Ansatz entgegenzutreten, muss der gesamte Lebenszyklus von Kunststoffen berücksichtigt werden. Dazu gehören die Produktion, der Transport und die Verwendung von Kunststoffen ebenso wie eine funktionierende Abfallwirtschaft und das Recycling. Ein umfassender Lösungsansatz muss sich darüber hinaus auch mit chemischen Schadstoffen befassen, das Problem von Altkunststoffen angehen, land- und meeresbasierte Quellen der Plastikverschmutzung mit einbeziehen und transdisziplinäre Lösungsansätze anbieten. Letztere können integrative und transformative Prozesse durch Partnerschaften, Engagement, Maßnahmen und gemeinsame Wissensproduktion zwischen akademischen und nichtakademischen Akteuren im Hinblick auf eine wirksame Reduzierung der Plastikverschmutzung ermöglichen. 

Die Notwendigkeit eines umfassenden internationalen Plastikabkommens

Mit der Resolution 5/14 der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) aus dem Jahr 2022 wurde ein zwischenstaatliches Verhandlungskomitee (INC) eingesetzt, das nach fünf Verhandlungsrunden bis Ende 2024 ein internationales und rechtsverbindliches Instrument erarbeiten soll, welches den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen abdeckt.

Etwa 60 Prozent der weltweit seit 1950 produzierten Kunststoffe sind in der natürlichen Umwelt gelandet. Das Plastik gelangen vom Land aus über Flüsse, durch Regenwasserabfluss, Wind und Vermüllung in die Meere. Das nun verhandelte internationale Abkommen zielt darauf ab, das Problem der Plastikverschmutzung umfassend anzugehen, da die derzeitig bestehende Vielzahl an Instrumenten das Problem nur unzureichend, auf bestimmte Phasen des Plastiklebenszyklus fokussiert oder speziell auf Meeresmüll bezogen angeht. Dies führt zu einer fragmentierten Regulierung, die nur bestimmte Regulierungsebenen, Sektoren oder Phasen des Lebenszyklus von Kunststoffen abdeckt. 

Zum Beispiel beinhaltet Anlage V des Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL-Übereinkommen) ein Verbot der Entsorgung von Plastik ins Meer auf internationaler Ebene. Regionale Meeresübereinkommen, wie das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (Oslo-Paris Konvention, OSPAR) befassen sich mit dem Problem der Plastikverschmutzung auf regionaler Ebene und hier auch mit Einträgen aus landseitigen Quellen. Auf EU-Ebene zielt die EU-Strategie für Kunststoffe auf die Verringerung der Meeresverschmutzung ab, indem die Recyclingfähigkeit von Kunststoffen verbessert werden soll, Einwegkunststoffe und Plastikabfälle reduziert werden und biobasierte und kompostierbare Alternativen gefördert werden. Darüber hinaus wurden in vielen Ländern nationale Kunststoffverbote, etwa für Einwegplastik und Plastiktüten (zum Beispiel in Kenia und Tansania), erlassen, um deren Eintrag in die Meeresumwelt zu verhindern. Durch Koordinierung, auch auf internationaler Ebene, könnten die vielfachen Bestrebungen gebündelt und harmonisiert werden. 

Überblick über die Vorbereitungen zu den Vertragsverhandlungen

Vor dem Beginn der Vertragsverhandlungen im Jahr 2022 wurde 2017 von der UNEA eine Expertengruppe eingesetzt, um Optionen für globale Maßnahmen zur Bekämpfung von Meeresmüll und Plastikverschmutzung zu untersuchen. Im Jahr 2019 stimmte eine Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten bei der Jahressitzung der UNEA dafür, gemeinsam auf ein globales Abkommen gegen Plastik im Meer hinzuarbeiten. Parallel dazu veröffentlichte eine Gruppe von 29 globalen Unternehmen ein Wirtschaftsmanifest zur Unterstützung eines solchen Abkommens. 

Im Jahr 2022 erklärten 156 Staaten ihre Unterstützung für ein internationales Plastikabkommen, was zur Annahme der UNEA-Resolution 5/14 durch die UN-Mitgliedstaaten im März 2022 führte. Darüber hinaus haben Norwegen und Ruanda zusammen mit 18 weiteren Staaten eine globale Koalition zur Beendigung der Plastikverschmutzung bis 2040, die High Ambition Coalition to End Plastic Pollution by 2040 (HAC), ins Leben gerufen. Die HAC, der derzeit 67 Mitglieder aus verschiedenen Regionen der Welt einschließlich der EU angehören, setzt sich für ein globales Abkommen mit verbindlichen Bestimmungen entlang des gesamten Lebenszyklus ein, damit nicht nur die Produktion und der Verbrauch von Plastik reduziert, sondern auch unnötige, vermeidbare oder problematische Kunststoffprodukte eliminiert und einschränkt sowie klare Zielvorgaben macht werden. Dazu gehören auch Beschränkungen für bestimmte gefährliche Chemikalien und die Einführung von Verboten für problematische Kunststoffprodukte, die schwer zu recyceln sind.

Die Vertragsverhandlungen

Im Anschluss an die UNEA-Resolution 5/14 fand vom 28. November bis zum 02. Dezember 2022 in Punta del Este (Uruguay) die erste formelle Verhandlungsrunde statt. Der ersten Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungskomitees (INC-1) gingen regionale Konsultationen und ein Multi-Stakeholder-Forum voraus. Mehr als 2300 Delegierte aus 160 Ländern versammelten sich, um eine gemeinsame Grundlage für den Geltungsbereich und die Umsetzung des künftigen Vertrags zu finden. Als Ergebnis der Verhandlungen forderte das INC das INC-Sekretariat auf, vor der zweiten Verhandlungsrunde einen Entwurf mit Optionen für Elemente vorzulegen, die in das Instrument aufgenommen werden sollen. Dieser Entwurf umfasste Kernverpflichtungen, Kontrollmaßnahmen, freiwillige Ansätze, Mittel zur Umsetzung und sowohl rechtsverbindliche als auch freiwillige Maßnahmen.

Die zweite Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungskomitees (INC-2), die vom 29. Mai bis 2. Juni 2023 in Paris (Frankreich) stattfand, umfasste hauptsächlich Beiträge zu Verfahrensfragen, da einige Delegationen auf eine Abstimmung durch Konsens bestanden. Trotz dieser verfahrenstechnischen Auseinandersetzungen einigten sich die nationalen Delegationen auf ein Mandat zur Ausarbeitung eines Nullentwurfs des Vertrags als Grundlage für die dritte Verhandlungsrunde. 

Obwohl sich viele Länder für Bestimmungen zur Begrenzung der Primärproduktion von Kunststoffen aussprachen, wurde die dritte Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungskomitees (INC-3), die vom 13. bis 19. November 2023 in Nairobi (Kenia) stattfand, von einer Gruppe gleichgesinnter Länder blockiert, welche die Plastikverschmutzung mit nachgeschalteten Maßnahmen wie Abfallbehandlung und Recycling bekämpfen wollen. Auch wenn die oftmals mangelhafte Bewirtschaftung von Plastikmüll auf fehlende Müllsammlung, Vermüllung des öffentlichen Raums sowie unkontrollierte Mülldeponien zurückzuführen ist, liegt die eigentliche Ursache des Problems in der Produktion und dem Verbrauch von Plastik, welche letztlich die nachgelagerte Plastikverschmutzung der Umwelt einschließlich des Ozeans bewirken.

Im Anschluss an INC-3 setzten die Delegationen die Vertragsverhandlungen auf der Grundlage des überarbeiteten Textentwurfs während der vierten Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungskomitees (INC-4) vom 21. bis 30. April 2024 in Ottawa (Kanada) fort. Zu den wichtigsten Ergebnissen der INC-4 gehören die Erstellung einer juristische Redaktionsgruppe (legal drafting group) zur Ausarbeitung von Rechtsvorschriften und die Einigung auf intersessionelle Zusammenarbeit im Vorfeld zu INC-5, mit der die Textverhandlungen wieder aufgenommen wurden. Die fünfte Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungskomitees, INC-5, fand vom 25. November bis zum 01. Dezember 2024 in Busan, Südkorea, statt und sollte die letzte Verhandlungsrunde darstellen. Da die Staaten sich jedoch aufgrund unterschiedlicher Standpunkte zum Umfang des Mandats nicht einigen konnten, beschlossen sie stattdessen, 2025 für eine weitere Verhandlungsrunde (INC5.2) erneut zusammenzukommen.

Einige zentrale Herausforderungen für den Vertrag bleiben bestehen, darunter die Frage der Verabschiedung des Abkommens im Konsens, der Notwendigkeit, Konsens zwischen den Staaten bezüglich rechtsverbindlicher Verpflichtungen zu finden und des Anspruchs, hohe Standards anzusetzen. Dies betrifft die grundsätzliche Frage, ob der Vertrag den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen umfassen und das Plastikproblem an der Quelle angehen soll, oder ob er sich lediglich auf die Abfallbewirtschaftung beziehen soll. Offene Fragen gibt es auch noch in Bezug auf die Suche nach einem geeigneten Finanzierungsmechanismus, die Einigung darüber, wie das künftige Instrument umgesetzt werden soll, einschließlich Berichterstattungsverfahren und gemeinsamer Definitionen wie problematische und vermeidbare Kunststoffpolymere und -produkte, Mikroplastik und Kreislauffähigkeit.

Der Verhandlungsprozess für ein globales Plastikabkommen hat vielfache staatliche Interessen und Positionen zum Vorschein gebracht, die sich in verschiedenen Staatengruppen und Koalitionen manifestieren. Die Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (GRULAC), die Afrikanische Gruppe, die kleinen Inselstaaten unter den Entwicklungsländern (Small Island Developing States, SIDS) und insbesondere die pazifischen SIDS unterstützen beispielsweise Bestimmungen zur Reduzierung und Vermeidung von Plastikproduktion und somit der Vorbeugung von Plastikeintrag in die Meeresumwelt. Die Afrikanische Gruppe setzt sich für einen Vertrag ein, der Bestimmungen für Altkunststoffe enthält, welche bereits in der (Meeres-) Umwelt vorzufinden sind und nicht wiederverwendet oder recycelt werden können. Dies steht im Gegensatz zur Position der petrochemischen Industrie, deren Lobbyisten unter anderem als Mitglieder nationaler Delegationen bei den Verhandlungen anwesend waren und die sich für eine vorrangige Konzentration auf das mechanische und chemische Recycling und die Einführung von Recyclingquoten zur Vermeidung von Kunststoffabfällen aussprachen. 

Unterschiede gibt es auch zwischen Staaten, die einen Top-down-Ansatz mit globalen und rechtsverbindlichen Zielen bevorzugen, sowie Staaten, die, ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen, für einen freiwilligen und nationalen Ansatz auf der Grundlage nationaler Aktionspläne und der jeweiligen Möglichkeiten der Länder eintreten. Umweltorganisationen wiederum kritisieren diese einseitige Fokussierung auf die Abfallwirtschaft, während Forschende betonen, dass der Vertrag auch Ökosysteme abdecken muss, die von der Plastikverschmutzung betroffen sind. Das International Indigenous Peoples' Forum on Plastics unterstreicht die Notwendigkeit eines Plastikabkommens, das die Rechte der indigenen Völker und ihre vollkommene Teilnahme anerkennt. INC 5.2 sollte daher das Wissen der verschiedenen Interessengruppen und Rechteinhaber nutzen, um ein Gleichgewicht zwischen menschlichem Wohlergehen, wirtschaftlichen Aktivitäten und Umweltschutz herzustellen. Des Weiteren wird die künftige Verhandlungsrunde Verfahrensstreitigkeiten überwinden und sicherstellen müssen, dass das Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen abdeckt.  

Erfahren Sie mehr über die Arbeit des RIFS zum Thema Governance der Ozeane

Unsere Arbeit - neue Ideen für den Meeresschutz

Einer der Forschungsschwerpunkte am RIFS beschäftigt sich mit Fragen rund um die Governance der Ozeane für eine nachhaltige Nutzung und den Schutz der Meere. Governance beschreibt dabei die Art und Weise, wie Regierungen, Zivilgesellschaft, Industrien und andere Interessengruppen interagieren und die Aktivitäten im Meer durch nationales und internationales Recht, Gewohnheiten, Traditionen und Kultur sowie die von ihnen geschaffenen Institutionen und Prozesse steuern. Die Forschungsgruppe Governance der Ozeane, bestehend aus Forscherinnen und Forschern verschiedener Disziplinen, arbeitet diesbezüglich an einer Reihe von Projekten, um gemeinsam mit verschiedenen Interessengruppen neues Wissen und Empfehlungen für Lösungen für die wichtigsten Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu entwickeln und zu schaffen. 

Zu diesen Projekten gehören unter anderem die folgenden zwei EU-Projekte zum Thema Meeresverschmutzung:

  • Das Projekt Source to Seas Zero Pollution 2023 (SOS-ZEROPOL2030) zielt darauf ab, einen ganzheitlichen, gemeinsam mit Interessengruppen entwickelten Ansatz zu entwickeln, der die EU auf dem Weg zur Nullverschmutzung der europäischen Meere bis 2030 leitet. Ziel des Projekts ist es, die bestehenden Hindernisse für eine erfolgreiche Politik zur Verringerung der Verschmutzung zu beschreiben und bewährte Verfahren für wirksame Maßnahmen zu ermitteln und mit den wichtigsten Interessengruppen zusammenzuarbeiten, um gemeinsam politische Möglichkeiten zu ermitteln und einen Fahrplan für saubere europäische Meere zu entwickeln. Das Projekt wird vom University College Cork (UCC) koordiniert und mit neun Partnern aus ganz Europa durchgeführt, darunter auch das RIFS. Im Rahmen des Projektes leitet das RIFS die Entwicklung eines strategischen Rahmens für Nullverschmutzung, welcher den Weg und die Prozesse zur Verhinderung und Verringerung der Verschmutzung der Meere und zur Erreichung des Ziels der Nullverschmutzung skizzieren soll.
  • Das Projekt Multi-layer Governance Performance of Marine Policies (PermaGov) beinhaltet eine Fallstudie zur Plastikverschmutzung in der Ostsee und zu zwei ausgewählten Themen des Green Deal der EU, Null-Verschmutzung und Kreislaufwirtschaft. Das Projekt PermaGov untersucht, auf welche die Art und Weise regionale Meeresübereinkommen dazu beitragen können Meeresmüll zu bekämpfen, beispielsweise über Sektor- und grenzübergreifende Zusammenarbeit und Überwachung.

Weitere Informationen:

Weitere laufende oder kürzlich durchgeführte Forschungsarbeiten der RIFS-Forschungsgruppe Governance der Ozeane zielen darauf ab, Ansätze der EU zur Meerespolitik und Governance voranzubringen, um den Green Deal der EU für die europäischen Meere zu verwirklichen (CrossGov) und die Einführung ökosystembasierter Managementansätze zu beschleunigen (MarineSABRES), beschäftigen sich mit den Herausforderungen ozeanbasierter negativer Emissionstechnologien für die Meeres-Governance (OceanNETs) und entwickeln eine Plattform zur Unterstützung regionaler Ansätze in der Meeres-Governance (Marine Regions Forum). 

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